Bundestagsabgeordneter Stephan Thomae zu Besuch bei der Lebenshilfe Kempten
Bundestagsabgeordneter Stephan Thomae und Bezirksrätin Daniela Busse im Gespräch mit der Geschäftsleitung und der Bereichsleitung Wohnen der Lebenshilfe Kempten.
"Unser Problem ist, dass die Eingliederungshilfe ständig mit der Pflege in einen Topf geworfen wird", berichtet Geschäftsführerin Christine Lüddemann bei dem Gedankenaustausch in der Geschäftsstelle der Lebenshilfe Kempten. "Wir haben beim Pflege- und Wohnqualitätsgesetz die gleichen personellen und baulichen Auflagen wie stationäre Pflegeeinrichtungen. Das wird aber unseren Menschen mit Behinderung nicht gerecht. Derzeit müssen beispielsweise auch Wohngemeinschaften mit Menschen mit einer geistigen Behinderung, die körperlich keinerlei Einschränkungen haben, barrierefrei sein und eine Fachkraft in der Nacht bereitstellen", erklärt die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Kempten.
Das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz wurde zuletzt im August überarbeitet. Laut Christin Kasten, stv. Bereichsleitung Wohnen, jedoch leider nicht zum Vorteil für die Eingliederungshilfe. "Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die Bayerische Staatsregierung das Gesetz nochmals erschwert, statt endlich spürbar lockert. Wir brauchen mehr Eigenverantwortung für die Träger, die ihre Klienten und Mitarbeiter am besten kennen. Das Misstrauen und die Verhinderungskultur seitens des Bayerischen Sozialministeriums ist da unverständlich," so die schwäbische Bezirksrätin Daniela Busse.
Man befände sich laut Jürgen Schulz, Bereichsleiter Wohnen, zudem in einer Abwärtsspirale. Die Ansprüche zwischen den personellen Anforderungen und der Situation auf dem Arbeitsmarkt gingen diametral auseinander. Die wenigen Fachkräfte müssten derzeit Schichten übernehmen, für die auch Hilfskräfte mit ausreichend Berufserfahrung geeignet wären. Der stellvertretende Geschäftsführer, Benjamin Fackler, ergänzt: "Wenn wir aufgrund der starren Fachkraftquote immer weniger Plätze belegen können, müssen wir langfristig ganze Gruppen schließen, weil sich das Angebot wirtschaftlich nicht mehr darstellen lässt. Dann ist niemandem geholfen." Die Lebenshilfe hat hierzu ein eigenes Konzept ausgearbeitet, in dem sie ganz konkrete Lösungsvorschläge macht, wie die Situation schnell zumindest etwas entspannt werden könnte.
Aber auch das Bundesteilhabegesetz, die Akademisierung der sozialen Berufe sowie die SGB VIII-Reform bereitet den Trägern Bauchschmerzen. Die Heilpädagogischen Tagesstätten dürften durch die Reformpläne des Bundes und den Wechsel zur Jugendhilfe in ihrer interdisziplinären Betreuung keine Nachteile erhalten.
Der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae plädierte: "Die Politik muss für unterschiedliche Formen der Behinderung passgenaue Lösungen möglich machen. Und klar ist auch: Eine immer größere Regelungsdichte führt eben nicht automatisch zu immer mehr Qualität. Irgendwann bekommen die Einrichtungen ein Bürokratieburnout. An diesem Punkt stehen wir gerade."